Mehr als nur eine Schule – Wie ich an der Hanseschule ein Stück Heimat fand

Es gibt Momente im Leben, die einem zeigen, dass trotz all der Schwierigkeiten in der Welt — wie Kriege, Ungerechtigkeit und Leid — es Orte gibt, an denen das Gute lebt, wächst und sich entfaltet.               - Ein Bericht von Olena Vasylenko -


Trotz allem Leid in der mein eigenes Leben durch Krieg und Umziehung glaube ich fest daran, dass wir einfachen Menschen doch Einfluss nehmen können – vielleicht nicht auf die globale Situation, aber zumindest an unserem eigenen Arbeitsplatz. Wir können die Welt ein Stück besser, herzlicher und aufmerksamer gegenüber den Bedürfnissen anderer gestalten. Und genau so einen Ort habe ich während meines Schulpraktikums an der Hanseschule Attendorn gefunden – einen Ort, an dem Mitgefühl, Unterstützung und menschliche Wärme spürbar sind. Als ich mein Praktikum an der Hanseschule begann, war ich voller Zweifel: Werde ich alles verstehen, wenn Kinder sehr schnell reden werden? Werde ich angenommen? Werde ich mit meiner unvollkommenen deutschen Aussprache nicht Lächerlich aussehen? Doch diese Zweifel waren unbegründet. Vom ersten Moment an wurde ich mit einer Herzlichkeit empfangen, die ich nicht erwartet hatte. Die Lehrerin, die meine Praxis betreute, zeigte mir die wichtigsten Räume und stellte mich dem Kollegium vor. Als ich dann der Schulleiterin vorgestellt wurde, war ich tief bewegt: Sie empfing mich mit solch herzlichen Worten, als wäre ich bereits Teil des Teams. Ich erhielt direkt einen eigenen Schlüssel für die Klassenräume, einen Plan der Schule und hilfreiche Materialien – ich fühlte mich sofort willkommen, als gehörte ich zur Schulfamilie. Jede Lehrkraft, der ich begegnete, begrüßte mich mit Offenheit und lud mich ein, am Unterricht zu besuchen. Und obwohl es für viele Lehrer nicht einfach ist, beobachtet zu werden(ich weiß dass aus eigenes Erfahrung in der Ukraina), zeigten sie eine beeindruckende Kollegialität und Großzügigkeit, indem sie mich teilhaben ließen. In den ersten Tagen war ich oft unsicher, wo welcher Raum liegt, aber jedes Mal fand eine neue Lehrerkraft, der ich manchmal begegnete, Zeit, mich bis zur nächsten Klasse zu begleiten. Ich besuchte Mathematik- und Informatikstunden in verschiedenen Klassen und konnte von jeder Lehrkraft etwas Neues lernen. Der Unterricht an der Hanseschule beeindruckt durch seinen hohen Grad Digitalisierung . Zum Beispiel programmieren die Kinder im Informatikunterricht Roboter und Drohnen, drehen und schneiden Videos mit Green Screen, erstellen 3-D-Modelle und drucken sie mit 3D-Druckern, oder programmieren Alexa. All das ist das Ergebnis des Engagements und der Kreativität des Informatik-Teams, das gemeinsam mit der Schulleitung innovative Programme entwickelte und Fördermittel gewann, um die nötige Technik wie Drohnen, Roboter, 3D-Drucker und Laptops anzuschaffen. Das begeistert die Kinder so sehr, dass sie sich regelrecht auf den Informatikunterricht freuen. Auch im Mathematikunterricht kommt Alexa zum Einsatz, etwa für Mathe-Quiz und Wettbewerbe zu Formeln und Rechenoperationen. Besonders begeistert war ich von einem Gerät, das wie eine Kamera funktioniert und auf den Bildschirm überträgt, was der Lehrer mit Zirkel und Lineal am Tisch auf Papier zeichnet – so verstehen die Schüler den Ablauf der Aufgaben noch besser. Zusätzlich kommen Tablets mit Lernspielen zum Einsatz, die den Stoff spielerisch wiederholen helfen. Die Lehrer fördern das kreative Denken der Kinder, indem sie keine fertigen Lösungen vorgeben, sondern Fragen stellen, die die Schüler zum Ziel führen. Junge Lehrkräfte im Referendariat erhalten an der Schule besondere Unterstützung. So beobachtete ich, wie die Fachleiterin für Mathematik, Duygu, regelmäßig den Austausch mit ihnen sucht, gemeinsam Unterrichtsideen entwickelt und ihnen Raum für eigene kreative Ansätze gibt. Dadurch entsteht ein effektives Team, das traditionellen Unterricht mit innovativen Ideen erfolgreich verbindet. Mir war es zudem wichtig, meine Sprachkenntnisse zu verbessern. Zwar hatte ich an der Universität viele Vokabeln und Regeln gelernt, aber ich wenig Mogligkeiten mit Deutschen zu sprechen hatte. Deshalb halfen mir die Lehrer nicht nur in der Schule, sondern auch außerhalb dabei, meinen passiven Wortschatz in einen aktiven zu verwandeln. Zum Beispiel schlug die eine Lehrerin vor, gemeinsam zu Fuß nach Hause zu gehen – wir unterhielten uns dabei über viele Themen. Die Deutschlehrerin traf mich zufällig im Stadtzentrum, und wir plauderten wie Freundinnen eine ganze Stunde über verschiedene Alltagsthemen. Der Sportlehrer motivierte mich, mit ins Schwimmbad zu kommen, gemeinsam mit dem Kollegium. Ein besonderes Geschenk war meine Praxisbetreuerin Sarah: taktvoll, geduldig, aufmerksam und mit einer wunderschönen Ausdrucksweise. Sie nahm ihre Aufgaben sehr ernst, und durch ihre ruhige Art verflog meine Angst vor Fehlern, ich wurde immer sicherer im Sprechen. Außerdem durfte ich zwei wunderbare schulische Veranstaltungen besuchen: das „Festival der Kulturen“ und ein Theaterstück, das von Schülern der 8. Klassen aufgeführt wurde. Es ging darin um die Schwierigkeiten, mit denen Kinder konfrontiert sind, die aus anderen Ländern kommen oder vor dem Krieg fliehen mussten. Am Beispiel einer Gruppe wurden Verhaltensweisen dargestellt, wie man mit solchen Kindern umgehen sollte – und wie nicht. Ich verstand, dass an dieser Schule jeder einzelne Schüler zählt und man sich wirklich um alle kümmert. Es hat mich sehr gefreut zu sehen, dass viele ukrainische Kinder, die vor drei Jahren hierher kamen, bereits gut integriert sind, Deutsch gelernt haben und Freundschaften geschlossen haben. Wenn man weiß, wie schwierig dieser Weg ist, erkennt man noch deutlicher, dass dies das Verdienst der hervorragenden Schulleiterin ist, die das Kollegium vereint hat, sowie der Lehrerinnen und Lehrer, die für jedes Kind den richtigen Zugang gefunden und spannende Unterrichtsformen entwickelt haben – so, dass der Unterricht für alle verständlich und zugänglich ist. Das alles spricht für ihr hohes professionelles Niveau und ihre menschlichen Qualitäten. Nun, etwas später, möchte ich auch etwas Persönliches teilen. Ich komme aus der Ukraine, aus der schönen Stadt Cherson, nahe dem Meer. Dort arbeitete ich als Lehrerin für Mathematik und Informatik an einem Gymnasium und als Dozentin an einer Universität. Ich liebte meine Arbeit und die sonnige Stadt mit ihrer reichen Auswahl an Obst, Gemüse und landwirtschaftlichen Produkten. Doch mit Beginn des Krieges war ich gezwungen, mit meiner Familie zu fliehen – unser besetzter Heimatort war voller Soldaten und bot keinen Schutz für Zivilisten. In Deutschland lernte ich in hohem Tempo Deutsch, weil ich so schnell wie möglich wieder arbeiten wollte. Ich dachte, es wäre einfach, da ich Englisch konnte – aber es war schwieriger als erwartet. Zum Glück wurde ich in das Programm „LehrkräftePLUS“ der Universität Siegen aufgenommen, das Lehrer*innen aus verschiedenen Ländern unterstützt. Heute bin ich dankbar, dass mich mein Weg an die Hanseschule geführt hat. Diese Schule zeigt mir, wie Güte und Professionalität Hand in Hand gehen können. Mein kleiner Beitrag ist es, dies weiterzutragen – mit meinen Worten des Dankes und der Anerkennung. Vielleicht wird meine Sicht von der Seite einer Person, die aus einem anderen Land geworden ist, dazu beitragen, Hanseschule in Attendorn an die Einwohner der Stadt in einer neuen Licht zu sehen. Schließlich gewöhnen wir uns oft an das Gute, und wir können nicht alles bemerken, auf das stolz sollten und was Sie sich freuen sollten. Olena Vasylenko